Geschichten über junge Frauen, aber nicht für junge Frauen

„Ich wollte links abbiegen, da ist mir so ein Taxifahrer voll reingebrettert.“ – „Hatte er Vorfahrt?“ – „Ja.“ – „Hattest du dein Licht an?“ – „Nein.“ – „Was für ein Arschloch.“ – „Ich glaub, mir ist was von ’nem Backenzahn abgebrochen.“ – „Ich bin schwanger.“ – „Mann.“ Er richtet sich auf und schaut mich an. „Immer musst du noch einen draufsetzen.“ (S.29)
Worum geht´s?
Was heißt es, eine junge Frau zu sein? Sich clever, aber auch naiv zu fühlen, zugleich selbstbewusst und unsicher zu sein und vor allem immer nur an das eine zu denken? Und was macht das spezifische Lebensgefühl heutiger junger Frauen aus? Die australische Schriftstellerin Abigail Ulman lotet auf subtile, freche und literarisch sehr versierte Weise verschiedene Stadien von ersten Beziehungen, Frausein und Sexualität aus. Es sind Geschichten über Trennungen, die länger andauern als die Beziehung selbst, über modernes Liebeswerben via Handy, über flüchtige Abenteuer und erste Male, über Naivität und Berechnung, Liebe und Besessenheit. Und immer vermag es diese Autorin, einen neben dem Gesagten mit dem explizit Nicht-Gesagten zu überraschen.
Cover und Titel
Das Cover dieses Buches zieht durch seine bunten Lettern und den türkisfarbenen Hintergrund sofort alle Blicke auf sich. Auch der Titel „Jetzt – Alles – Sofort“ ist alles andere als zurückhaltend und gibt einen ersten Hinweis auf das Tempo in Abigail Ulmans Erzählungen. Im Vergleich dazu ist der Originaltitel „Hot little Hands“ wesentlich kryptischer und zugleich etwas verrucht.
Das Originalcover ist mit dem deutschen auch nicht zu vergleichen. Denn dort ist ein leicht geöffneter Mund zu sehen, was eine laszive Wirkung ausstrahlt, allerdings sind die Zähne mit einer Zahnspange bedeckt – so wird gleich deutlich in welchem Widerspruch sich Ulmans Protagonistinnen befinden: zwischen Jugend und Erwachsensein.
Mein Eindruck
Ich liebe Erzählungen. Erzählungen mit jungen Frauen als Protagonisten haben mich sofort gereizt – vor allem in Verbindung mit diesem plakativen Titel.
Gleich mit der ersten Geschichte hat Abigail Ulman mich von ihrer Art zu Schreiben überzeugt. Mit präzisen Worten erzählt sie die Geschichte eines Mädchens, das auf dem Untersuchungsstuhl beim Frauenarzt sitzt. Jede Frau kann dieses unangenehme Gefühl sofort nachempfinden und damit ist man sofort drin in der Geschichte. Die Protagonistin erfährt von ihrer Schwangerschaft, die nicht geplant war. Als Leser will man jetzt natürlich wissen: Wie geht es mit ihr weiter? Wer ist der Vater? Wie reagiert er darauf? Und genau darüber lässt die Autorin ihre Leser im Unklaren. Bei jeder Geschichte gibt es einen richtig fiesen Cliffhanger, der aber auch in keiner Fortsetzung aufgelöst wird. Ich kann mir vorstellen, dass das einige Leser zur Verzweiflung treibt, mir hat diese Art eine Erzählung enden zu lassen, sehr gut gefallen.
Die Erzählungen in „Jetzt – Alles – Sofort“ drehen sich immer um junge Frauen (unterschiedlicher Herkunft), die vor einem Problem stehen, mit dem sie irgendwie umgehen müssen: eine ungewollte Schwangerschaft, eine drohende Abschiebung, eine unerwiderte Liebe. Das Interessante daran: Abigail Ulmans Frauen machen Fehler. Sie handeln nicht wie man handeln sollte, sondern wie man eben handelt, wenn man jung und überfordert ist.
Ihre Sexualität steht dabei oft im Mittelpunkt – wie auch in der Realität. Das Besondere hierbei ist die Art und Weise wie diese Thematik behandelt wird, nämlich sehr nüchtern, schmucklos, frech und teilweise auch derb. Ich (mit 30 Jahren) habe den nötigen Abstand um damit gut umgehen zu können, aber ich könnte mir vorstellen, dass junge Frauen von dieser Art des (Be-)Schreibens verschreckt werden. Aus diesem Grund würde ich dieses Buch – obwohl junge Frauen die Protagonistinnen sind – keiner jungen Frau empfehlen. Dafür ist Ulmans Schreibstil einfach zu nüchtern.